Bauernproteste: Es geht längst nicht mehr um den Dieselpreis

 

Eine interessante Analyse der Bauernproteste:

„Es fehlt seit vielen Jahren an einer mutigen Agrarpolitik, die langfristige Perspektiven und verlässliche Rahmenbedingungen schafft. Stattdessen denken die politisch Verantwortlichen viel zu häufig in vermeintlich kurzfristigen Erfolgen und Klientelpolitik“. Damit trifft sie den Nagel genau auf den Kopf: Das Höfesterben, das die deutsche Landwirtschaft seit den 1960er Jahren plagt, hat ein ganzes Bündel von Ursachen:

Es ist die Folge einer immer mehr auf Profitmaximierung angelegten Agrarpolitik, von immer weiterer Intensivierung, von enormem Kostendruck, einer schlechten Verhandlungsposition gegenüber den großen Handelsketten. Dazu kommt der politische Unwille, sich von einfachen, flächengebundenen Direktzahlungen (so genannten Gießkannensubventionen) zu verabschieden und stattdessen die Förderung von Betrieben zu priorisieren, die sich besonders um Umwelt-, Klima- und Tierschutz bemühen. Landwirt:innen, die wichtige Leistungen für Natur- oder Umweltschutz erbringen, werden als Folge dafür nicht ausreichend vergütet. Statt ihnen erhalten diejenigen landwirtschaftlichen Betriebe am meisten staatliche Förderung, die die größten Flächen haben.

All das hat zu einer verhängnisvollen Logik des „Wachse-oder-weiche“ geführt. Die Folge: Die Kleinen geben auf, die Großen wachsen weiter. Die vielen Plakate, die auf das Höfesterben Bezug nehmen („Stirbt der Bauer, stirbt das Land“), sind ein Ausdruck dieser Unzufriedenheit.

Dass sich jetzt allerdings der Deutsche Bauernverband in die vorderste Reihe der Proteste stellt, ist bei näherer Betrachtung blanke Heuchelei: Der hochgradig mit der Agrarindustrie verflochtene Bauernverband war mit seiner exportorientierten, auf immer mehr Wachstum ausgelegten Politik einer der Haupttreiber der Wachse-oder-weiche-Politik. Gießkannensubventionen, Intensivierung der Landwirtschaft und die Blockade jeder ernst gemeinten Agrarreform: Die verfehlte Agrarpolitik in Deutschland geht zu einem guten Teil auf sein Konto.

Und auch die Union versucht jetzt, politisches Kapital aus den Protesten zu schlagen und im Zuge der Bauernproteste gegen die Ampel zu hetzen. Und das, obwohl sie in den 75 Jahren seit Gründung der Bundesrepublik 51 (!) Jahre lang und von 2005 bis 2021 ununterbrochen das Landwirtschaftsministerium innehatte. Wenn eine Partei in Deutschland für den Zustand der Landwirtschaft verantwortlich gemacht werden kann, dann ist es die Union – und innerhalb dieser speziell die CSU, die geschlagene 31 Jahre lang das Ministerium besetzte. Dass Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied nun Seite an Seite mit der CSU die Ampel für ein angeblich von ihr verursachtes Höfesterben kritisiert, wirkt da wie ein Fest der Heuchler:innen.

 

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