landnutzungsänderungen

Die Auswirkung heißer Böden auf das Klima

Die Auswirkung heißer Böden auf das Klima

Im letzten Post zu den Hitzeextremen in Böden heißt es (aus der Pressemitteilung der wissenschaftlichen Publikation):

Ist die Temperatur im Boden höher als in der Luft, wird zusätzliche Wärme an die untere Atmosphäre abgegeben – und lässt die Temperaturen in der Atmosphäre steigen. „Die Bodentemperatur wirkt als ein Faktor in der Rückkopplung zwischen Bodenfeuchte und Temperatur und kann so in bestimmten Regionen Hitzeperioden verstärken“.

Diese Formulierung finde ich besonders interessant, weil ich vermute, dass als Erklärung dahinter die Auswirkung des Stefan-Boltzmann-Gesetzes steht, und damit welche Rolle Landzerstörungen auf das Klima haben.

Natürlich wissen wir, dass bei der Zerstörung der Natur („Landnutzungsänderungen“ im Fachjargon, haha, was für ein indifferentes Wort für das, was wirklich passiert) ein wichtiger Wechsel zwischen der Produktion von latenter Energie (LE; im Wasserdampf gebundene Energie) und fühlbarer Wärme (FW; „heiße Luft“) stattfindet. Die Natur produziert eine Menge LE, die vertikal in höhere Teile der Atmosphäre aufsteigen kann, ohne durch natürlich vorkommende oder anthropogene Treibhausgase behindert zu werden, wo bei der Kondensation ein Teil dieser freigesetzten Energie in den Weltraum entweichen kann.

Hier ist eine Zeichnung von mir, die das zeigt:

Das Stefan-Boltzmann-Gesetz beschreibt die Intensität der von der Materie abgegebenen Wärmestrahlung in Abhängigkeit von der Temperatur der Materie. Für einen idealen Absorber/Strahler oder schwarzen Körper besagt das Stefan-Boltzmann-Gesetz, dass die Gesamtenergie, die pro Flächeneinheit pro Zeiteinheit abgestrahlt wird, direkt proportional zur vierten Potenz der Temperatur des schwarzen Körpers, T, ist:

Wenn eine Fläche mit einem Wald 20°C warm ist, ein bewachsenes Feld 35°C und ein offenes Feld 50°C [die drei haben gleiche Abstände von 15°C], beträgt der Unterschied in der Strahlungsleistung in W/m2 95 für Wald/bewachsenes Feld und 110 für bewachsenes Feld/offenes Feld [also nicht gleich, sondern „exponentiell“ ansteigend], siehe meine Grafik unten:

Was bedeutet das nun? Der natürliche (wie auch der anthropogene) THG-Effekt beruht auf der „Reflexion“ von einfallender kurzwelliger Sonnenstrahlung in ausgehende langwellige Strahlung durch THG und Wolken. Wenn wir nun auf weiten Landschaften anstelle von Wasserdampf, der durch die Treibhausgase in der Atmosphäre hindurchgehen würde, warme Oberflächen erzeugen, die mit ihrer vierten Potenz langwellige Strahlung emittieren, die von den Treibhausgasen reflektiert und größtenteils im unteren Teil der Atmosphäre gehalten wird, verstärken wir die Erwärmung der Atmosphäre gewaltig.

Frage: Wie hoch wäre der Erwärmungseffekt der anthropogenen Treibhausgase in der Atmosphäre ohne „Landnutzungsänderungen“ im Gegensatz zu „Landnutzungsänderungen“? Welche Rolle spielt der veränderte – mit dem Wasserkreislauf verbundene – Energiekreislauf beim anthropogen verursachten Klimawandel?

Meines Erachtens ist die Energieabstrahlung der 4. Potenz und ihr Einfluss auf (natürlich vorkommende, aber auch anthropogen hinzugefügte) Treibhausgase der Schlüssel zu dem Argument, dass begrünte gegenüber unbegrünten/offenen/betonierten Flächen zu unterscheiden sind. Und bisher in der Klimawandeldiskussion noch gar nicht berücksichtigt werden.

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Landnutzungsänderungen? Landschädigungen!

Landnutzungsänderungen? Landschädigungen!

Ein Debattentext von Ute Scheub:

Zentrale Begriffe der Klimawissenschaften sind verharmlosend, technokratisch und hässlich. Und befördern ungewollt Wirkungslosigkeit. Ein Einspruch von Ute Scheub

Zu langsam, zu ineffektiv, zu wirkungslos – die Pariser Klimaziele von „deutlich weniger als im Schnitt 2 Grad plus“ werden von keinem Land der Welt erreicht. So beurteilt die globale Klimabewegung die Maßnahmen der nationalen Regierungen rund um den Globus. Völlig zu Recht: Die fossile Lobby ist viel zu stark, die Regierungen zu sehr mit ihr verbandelt oder trauen sich zu wenig. Aber ein wenig ist die Klimawissenschaft auch selbst für ihre Wirkungslosigkeit verantwortlich – aufgrund ihrer Sprache, die frei nach Goethes Faust zwar das Beste will, aber das Schlechte schafft. Sprache beschreibt nicht nur, sondern schafft auch Wirklichkeit.

Es fing bereits an mit dem Begriff „Klimawandel“. US-Wissenschaftler in den 1970er und 1980er nannten das Phänomen noch „Treibhauseffekt“. Treibhäuser sind heiß, das begreifen Menschen intuitiv. Aber „Klimawandel“? Ach, irgendwas ändert sich doch immer. Und Wandel klingt nach Lustwandeln, nach Spaziergang in lauschigen Wandelhallen.

Dann, einige Zeit später, das „2-Grad-Ziel“. Gefühlt sind 2 Grad Unterschied nicht der Rede wert: Schon allein der Wärme-Unterschied zwischen Tag und Nacht ist größer. Abermillionen von Menschen haben die dramatischen Konsequenzen von „plus 2 Grad“ nie verstanden. Das Rechnen mit globalen Mittelwerten, die auch Ozeane sprich 70 Prozent der Erdoberfläche miteinschließen, verschleiert das Wesentliche der Klimakatastrophe: Extremwetter und Landzerstörungen. Also Hitzewellen, Dürren, Wüstenbildung, Überflutungen, Meeresanstieg, Unberechenbarkeit von Jahreszeiten und Ernten, Unsicherheit von Leben überhaupt. Wäre als Kernbotschaft vermittelt worden, dass lokal viele höhere Temperaturen entstehen und somit Welternährung und Lebenssicherheit auf der Kippe stehen, wäre die Wirkung vermutlich weit größer gewesen.

Sodann der Begriff „negative Emissionen“. „Negativ“ ist ein negativ besetztes Wort, „Emissionen“ auch. „Negative Emissionen“ müssen also etwas besonders Schreckliches sein. Was, es geht um Treibhausgas-Speicherung? Warum nennt man das dann nicht so? Die sprachliche Wirkung von „Negativemissionen“ ist ungefähr so, als würde man eine Goldmünze mit Hundekacke einreiben.

Umwelt – dieser Begriff ist nicht den Klimawissenschaften anzulasten, weil schon älter, aber ebenfalls verhängnisvoll. Alles, was lebendige Natur ist, pulsierendes Leben, quirlige Artenvielfalt, wird in ein menschenzentriertes Wort gequetscht. Um-Welt, das ist die Welt um den Menschen herum, seine Bedürfnisse und Interessen. De facto eine Un-Welt, weil der Begriff leugnet, dass Menschen ohne Natur nicht existieren können. Um-Welt, das ist die fatale Fortsetzung des Bibelspruchs: „Macht euch die Erde untertan!“ Manche sagen zwar, der beruhe auf einer Falschübersetzung. Aber ob wahr oder falsch: Der Spruch wurde über Jahrhunderte benutzt, sodass Tiere, Pflanzen und Ökosysteme bis heute juristisch als Dinge gelten. Eine verdinglichte „Umwelt“ ist viel leichter zu erobern, auszubeuten und zu zerstören als das lebendige Subjekt einer „Mitwelt“ mit ihren nichtmenschlichen Mitgeschöpfen, die ihren Eigenwert in sich selbst trägt.

Ähnliches gilt für den scheußlichen Begriff „Ökosystemdienstleistungen“. Er suggeriert indirekt, dass Ökosysteme Dienstleistungen für Menschen zu absolvieren hätten. Auch hier findet sich erneut die Hybris, dass die „Umwelt“ dem Menschen zu dienen habe. Dabei ist es doch genau umgekehrt! Die Natur ernährt uns und erhält uns am Leben, und wir sind in der Pflicht, sie zu schützen und ihr zu dienen. Warum spricht man nicht einfach über „Ökoleistungen“ der Natur? Das ist auch als Wort schöner und einprägsamer.

Ein weiterer problematischer Begriff sind die „Landnutzungsänderungen“, die in IPCC-Reports und Klimaberichten wissenschaftlicher Institute als Mitursache der Erderwärmung auftauchen. Zwar hört sich das englische Original „land use changes“ etwas weniger holprig an als die deutsche Übersetzung. Dennoch verschleiert dieses neutral gehaltene Wort die massiven Zerstörungen, die sich dahinter verbergen: Entwaldungen, Abholzungen, Bodenversiegelungen durch Städtebau und Verkehr, Entwässerung von Mooren und ganzen Landschaften, Bodenerosion und Artensterben durch agrarische Monokulturen, Vernichtung von Feuchtgebieten, Begradigung und Kanalisierung von Flüssen, Betonierung von Küsten undsoweiter. Warum schreibt man nicht „Landzerstörungen“ oder wenigstens „Landschädigungen“?

„CO2-Äquivalente“ ist noch so ein Begriff mit negativen Nebenwirkungen. Er suggeriert, dass man alle Treibhausgase mit CO2 gleichsetzen und verrechnen könnte. Dabei haben Lachgas, Methan und Stickoxide völlig unterschiedliche biologische Kurz- und Langzeit-Wirkungen. Auch Wasserdampf ist ein Treibhausgas, dessen komplexe Wirkung zu beschreiben den Umfang diese Kolumne sprengen würde. Die Erfindung der „CO2-Äquivalente“ dient dazu, Computersimulationen für die Wirkung von Klimamaßnahmen zu erstellen. Sie verführt politische und ökonomische Entscheidungsträger aber dazu, Autos, Kühe und Reisfelder als CO2-Emissionsquellen mit Mooren oder Wäldern als CO2-Emissionssenken zu verrechnen – obwohl Verbrenner-Maschinen eine völlig andere Wirkung haben als Kühe. Die wegen ihres Methan-Rülpsens als „Klimakiller“ geschmähten Rinder etwa können mittels „Mob-Grazing“ jede Menge CO2 auf Weiden speichern helfen.

Mit anderen Worten: Über die rein quantitative Verrechnung mittels „CO2-Äquivalenten“ gehen entscheidende qualitative Unterschiede verloren. Das wirkt sich zugunsten von großtechnischen Lösungen und Scheinlösungen aus und zulasten von natürlichen Klimalösungen. Inzwischen ist überall zu lesen, dass „wir“ nicht mehr umhin kommen, in Form der CCS-, DACCS- oder BECCS-Technik CO2 abzuscheiden und unterirdisch zu lagern. Auch der grüne Vizekanzler Robert Habeck redet so daher.

Dieses CO2-fixierte Denken suggeriert zudem, dass man entstandene Schäden mit Geld „kompensieren“ könnte – etwa indem man beim Kauf von Flugtickets gegen einen Aufpreis kleine Solarprojekte fördert. Deren lokale Wirkung kann aber die weit über den CO2-Ausstoß hinaus reichende Negativwirkung von Kondensstreifen in der Atmosphäre niemals reparieren und wiedergutmachen. Dennoch sind dadurch alle verführt zu glauben, dass sie munter weiter Treibhausgase ausstoßen dürfen, solange es scheinbar möglich ist, andernorts CO2 einzusparen. Die gigantischen Naturzerstörungen, die etwa auch durch den Lithiumabbau für Elektromotoren entstehen, werden so unsichtbar gemacht. Viele glauben deshalb, es reiche, ein E-Auto und ein paar Solarpanels zu kaufen, um die Klimakrise zu stoppen.
Dabei sind naturbasierte Klimalösungen mit ihren positiven Nebeneffekten weit wirksamer als technische. Wenn wir die Natur ungestört für sich wirtschaften lassen, gewinnen auch wir Menschen – etwa an Erholungsorten für unsere gestressten Seelen und gesunder Ernährung. Moorschutz, Aufforstungen, Humusaufbau, Pflanzenkohle, regenerative Landwirtschaft, Küsten-, Watten-, Seegras- und Mangrovenschutz, renaturierte Flussläufe, wiederergrünte Schwammstädte – all das hat ein ungeheures, bis heute nicht ansatzweise gehobenes Klimapotenzial.
Ich persönlich möchte nicht in einer Techno-Welt leben voller Maschinen zur CO2-Abscheidung und Autobahnen voller E-Autos. Sondern in einer Welt der Naturfülle, in der Flüsse wieder natürlich mäandern, mit renaturierten Wäldern, Stadtparks und Mooren, mit Lebensräumen für unsere wilden Mitgeschöpfe. Renaturierungen sind schön, und wir sollten ihre Schönheit mit einer Sprache beschreiben, die die Natur in ihrer ganzen Lebendigkeit feiert.

(Eine kürzere Fassung dieses Textes erschien unter dem Titel „Sprache als Klimakiller“ am 16.2.2023 in der taz)

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