Spannender Artikel bei regenerativ.ch zum Thema Humusaufbau durch Holistisches Weidemanagement/Mobgrazing. Hier auch im Original von John Kempf.
Bei einer Graspflanze kurz vor der Blüte werden rund 40 % der Zuckerenergie für den Aufbau oberirdischer vegetativer Biomasse verwendet und etwa 10 % für die Reproduktion (siehe Tabelle unten). Bei den Bodensenken geht etwa 45% der gesamten Zuckerenergie in die Wurzelbiomasse und etwa 5% wird für Wurzelausscheidungen verwendet.
Auffällig ist also, dass Gräser den Grossteil ihrer erzeugten Kohlenhydrate in den Wurzeln speichern und kaum Exsudate abgeben – was ihr ausgeprägtes Wurzelsystem erklärt. Bei Kräutern verhält es sich umgekehrt: Das Wurzelwerk ist bescheiden, dafür setzen sie sehr viel Energie in Form von Exsudaten frei.
Meist wird behauptet, dass das Wurzelsystem von Pflanzen proportional zur entfernten oberirdischen Biomasse zurückgeht – dass also das Abweiden oder Abschneiden von 50% der Pflanze auch die Wurzeln um 50% reduziert. Dies stimmt so nicht. 50% Beseitigung der oberirdischen Biomasse führt zu keinem nennbaren Wurzelsterben. Ein Wurzelsterben beginnt erst ab einer Entfernung von über 50 % des sichtbaren Pflanzenbestandes. Bei einer einmaligen Entfernung von 50 bis 100% des oberen Pflanzenteils kommt es zu einem Wurzelsterben von bis zu 25%.
Zur Vermeidung von Überweidung ist die Ruhepause zwischen zwei Nutzungen deutlich wichtiger als die Beweidungshöhe.
Exsudatarme Gräser lieferten erst dann einen wesentlichen Beitrag zum Humusaufbau, wenn sie tief (bodennah) abgeweidet werden und dadurch relevante Mengen an abgestorbener Wurzelmasse im Boden abgeben.
Sie fand heraus, dass im Durchschnitt lediglich um die 8% des Kohlenstoffs aus oberirdischer Biomasse langfristig im Boden gespeichert wird. Der Rest, also um die 92%, wird zersetzt und gast aus – unabhängig davon, ob das Pflanzenmaterial auf der Bodenoberfläche liegen blieb oder in den Boden eingearbeitet wurde. Von der Wurzelbiomasse verbleiben im Idealfall bis zu 60% des Kohlenstoffs langfristig im Boden. Stirbt also bei bodennaher Beweidung etwa 25 % der Wurzelmasse ab, lässt sich unter Top-Bedingungen bis über die Hälfte davon in stabilen Dauerhumus umwandeln.
Nach Erzählungen eines Agrarwissenschaftlers wurden amerikanisch-einheimische Prärien untersucht. Diese wurden zwar nicht genau so bewirtschaftet wie vor ein paar hundert Jahren [bevor die Zestörung der Büffelherden begann] – und dennoch konnten in diesen einheimischen Prärien 1’600 Pflanzenarten identifiziert werden, von denen nur 60 Gräser waren. Das heisst, die überwiegende Mehrheit der einheimischen Arten waren Kräuter sowie einige Leguminosen.
Zuckerverteilung in Gräsern, Kräutern und Leguminosen Ende vegetativer Wachstumsphase/ Beginn der Blütezeit. Die Unterschiede sind frappant: Gräser speichern die Energie in ihren Wurzeln, während dessen Kräuter die Energie in Form von Ausscheidungen, welche die mikrobiellen Interaktionen stark fördern, investieren. Leguminosen liegen zwischen diesen beiden Extremen. Die in der Tabelle dargestellten Prozentwerte unterliegen Schwankungen, widerspiegeln jedoch die allgemeine Tendenz. Quelle: ACRES USA, mit Anpassungen
Die Konversionsraten sind in etwa gleich für alle funktionellen Pflanzengruppen und geben die allgemeine Richtung wieder, können aber je nach Umweltbedingungen und Pflanze unterschiedlich ausfallen. Um stabilen Bodenkohlenstoff aufzubauen, sind demnach vor allem Pflanzen von Nutzen, die Energie in Wurzeln und Wurzelausscheidungen investieren. Bei Wurzelausscheidungen sind Umwandlungswerte bis zu 91% erreichbar, wenn Bodensystem und Pflanze in einem biodiversen, pilzdominierten System aussergewöhnlich gesund und effizient funktionieren (dies dürfte bei Ökosystemen mit mehrjährigen Pflanzen besonders oft der Fall sein. Quelle: ACRES USA, mit eigenen Anpassungen).
https://www.regenerativ.ch/post/humusaufbau-durch-rotationsbeweidung
https://members.acresusa.com/the-take-half-leave-half-fallacy/