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Wie der Klimawandel auf CO2 verengt wurde (und was fehlt)

Wie der Klimawandel auf CO2 verengt wurde (und was fehlt)

Für unser Buch „Aufbäumen gegen die Dürre“ – wo wir ja argumentieren dass „Landnutzungsänderungen“ (aka Naturzerstörung) eine wesentliche Rolle beim anthropogenen Klimawandel spielen – hatte ich recherchiert, wie es dazu gekommen ist, dass seit Jahrzehnten quasi ausschliesslich zu den Treibhausgasen geforscht und kommuniziert wird, und die Landnutzung und deren Auswirkungen auf das Klima komplett in Vergessenheit gerieten. Denn: Es war mal anders:

1971 erschien die Studie „Inadvertent Climate Modification: Study of Man’s Impact on Climate”, publiziert vom angesehenen Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Königlichen Schwedische Akademie der Wissenschaften. Im einleitenden Absatz werden die „klimatischen Auswirkungen der vom Menschen verursachten Oberflächenveränderungen“ als ein „wichtiger Bereich“ aufgeführt, der zu berücksichtigen ist. Unter der Überschrift „Der Einfluss des Menschen auf das Klima“ sind die Unterabschnitte über die Verschmutzung der Atmosphäre und die Veränderung der Landoberflächen in etwa gleich groß. Unter „Wichtige Schlussfolgerungen und Empfehlungen“ findet sich ein ganzes Kapitel über die klimatischen Auswirkungen der vom Menschen verursachten Oberflächenveränderungen.

Acht Jahre später, 1979, wird in den Protokollen des ersten Weltklimakongresses der Weltorganisation für Meteorologie wieder von Landveränderungen gesprochen. Aus der Grundsatzrede der Konferenz: „Wir verändern jetzt die Strahlungsprozesse der Atmosphäre und vielleicht ihre Zirkulation durch die Emission der Produkte unserer Industrie- und Agrargesellschaft. Wir verändern jetzt die Grenzprozesse zwischen Erde und Atmosphäre durch unsere Landnutzung“. Im ersten von 28 wissenschaftlichen Beiträgen wird unter der Überschrift „Die Auswirkungen, die für das Thema Klima am relevantesten sind“ die „Umwandlung der Landoberfläche des Planeten durch Abholzung der Wälder, das Umpflügen der Steppen und großen Ebenen, Landgewinnung usw.“ an die Spitze der Liste gesetzt. Und in einem Abschnitt mit der Überschrift „Menschliche Aktivitäten, die das Klima beeinflussen“ teilt der Autor die Themen buchstäblich in zwei Teile auf. „Das Thema dieser Abhandlung ist eindeutig sehr umfangreich und wird dementsprechend in zwei Hauptteilen wie folgt dargestellt: Teil I deckt die wichtigsten menschlichen Einflüsse auf das Klima ab, mit Ausnahme der Eingriffe des Menschen in die atmosphärische Kohlendioxid (C02)-Bilanz; und Teil II behandelt umfassend die Aspekte des Klimawandels, die mit der Kohlendioxid-Bilanz zusammenhängen.“

Doch es gab ein Problem. Die lebendigen, durch Wasser verursachten Prozesse der Landveränderung waren zu komplex und variabel, und auch noch zu wenig verstanden, um sie in die globalen Computermodelle einzubringen, während CO2, das in der Atmosphäre gut vermischt ist, relativ leicht zu modellieren war.

Unter der Carter Regierung wurde eine Gruppe Wissenschaftler beauftragt, die Annahmen zur CO2-Zunahme zu modellieren. Der 22-seitige Bericht, „Carbon Dioxide and Climate: A Scientific Assessment“, 1979 erschienen, prognostizierte dass bei einer Verdoppelung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre die globale Temperatur um 3°C zunehmen würde, mit der Aussage in ihren Schlussfolgerungen, dass „wir unsere Überlegungen auf die direkten klimatischen Auswirkungen der stetig steigenden CO2-Konzentrationen beschränkt haben“.

1985 fand in Villach, Österreich, eine internationale Konferenz statt, um zu untersuchen, wie die internationalen Organisationen mit den beiden Ansätzen – Land und CO2 – umgehen können. Die Lösung bestand darin, die beiden zu trennen und zwei Organisationen zu gründen: Der Weltklimarat, IPCC, mit der Aufgabe sich den Treibhausgasen zu widmen. Und das Internationale Geosphären-Biosphären-Programm, IGBP, mit nur einem Bruchteil der finanziellen Mittel wie der IPCC, welches 2015 geschlossen wurde.

Auch die Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, UNFCCC, 1992 gegründet, und das 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll zielten alle darauf ab, die globale Erwärmung zu reduzieren, indem die Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre „auf ein Niveau gesenkt werden, das eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert“ (Kyoto-Protokoll, § 2). In der Tat beschränkt sich das Protokoll auf sechs Treibhausgase (Kyoto-Protokoll, Anhang A): Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), Fluorkohlenwasserstoffe (HFC), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC) und Schwefelhexafluorid (SF6).

Das wissenschaftliche Mandat des IPCC liefert weiterhin den Hintergrund für das UNFCCC, jetzt im Rahmen des Pariser Klimaabkommens, was erklärt, warum Landnutzungsänderungen und deren Einfluss auf den Klimawandel nur stiefmütterlich behandelt werden.

Erst langsam, mit dem Aufkommen einer Regenerationsbewegung in den letzten Jahren, werden Stimmen lauter – und Forschungsarbeiten bekannter –, die daraufhin weisen, welch wichtige Rolle Landnutzungspraktiken auf die Böden der Welt, den terrestrischen Wasserkreislauf und die Biosphäre insgesamt haben – und wie wir geschädigte Landschaften regenerieren können, auch um den Klimawandel zu mildern.

(c) Stefan Schwarzer

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Landschafts- und Vegetationszerstörung über die letzten 150 Jahre

Landschafts- und Vegetationszerstörung über die letzten 150 Jahre

Wir wissen ja schon Bescheid, dass „wir“ und „die Landwirtschaft“ massiv in die Landschaften und die bestehende Vegetation eingegriffen haben. Auch sehen wir dies ja stetig am Beispiel vom Amazonas, wo jeden Tag 1.720 Hektar verschwinden (was aktuell deutlich weniger ist als die Jahre zuvor). Jeden Tag, 1.720 Hektar!!

Aber auch in Deutschland verschwinden jeden Tag 50-55 Hektar. Unglaublich! Das sind 70-80 Fussballfelder täglich!

Wenn wir die letzen 150 Jahre betrachten, dann hat die natürliche Vegetation deutlich abgenommen. Von ~68% natürliche Vegetation um 1850, sind wir heute bei ~22% angekommen. Ein großer Teil ist konvertiert worden in Äcker und Grünland, ein kleiner Teil in degradierte Landschaften (siehe Spanien & Co).

Nun erzähle ich ja immer wieder die Geschichte, wie Vegetation & Verdunstung mit Klimakühlung und Niederschlag zusammen hängen. Die (v.a. natürliche) Vegetation ist wesentlich für die Fütterung des kleinen Wasserkreislaufes, und die Verdunstung trägt wesentlich zur Abkühlung der Atmosphäre bei. Mit all den kleinen und großen Wirkmechanismen die dahinter stecken (Wolkenbildung, Reflexion der einfallenden Sonnenstrahlen, Diffusion freiwerdender Energie ins Weltall, Erhitzung des unbedeckten Bodens, Stefan-Boltzmann-Gesetz und Rückkopplung zu (natürlichen und anthropogen verstärkten) Treibhauseffekt, …).

Das nur mal um die Dimension des Verlustes an natürlicher Vegetation aufzuzeigen.

Quelle der ursprünglichen Grafik, die ich grafisch ziemlich modifiziert habe: Hurtt, G. C. et al.: Harmonization of Land-Use Scenarios for the Period 1500–2100: 600 Years of Global Gridded Annual Land-Use Transitions, Wood Harvest, and Resulting Secondary Lands. Climatic Change 109(1–2), 117–61, 2011, doi: 10.1007/s10584-011-0153-2.

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Der Grundwasserdargebot sinkt aufgrund Melioration

Der Grundwasserdargebot sinkt aufgrund Melioration

Interessante Arbeit „Der Grundwasserhaushalt in Vorpommern – Seine anthropogene Prägung, Auswirkungen von Klimaänderungen und Anpassungsstrategien“. Darin u.a. diese Informationen:

Etwa 40% der Fläche Vorpommerns gelten als künstlich entwässert, der Anteil der Rohrdränung wird auf 25% geschätzt.

… dass in der Jahressumme etwa die Hälfte des Gebietsabflusses stark gedränter Einzugsgebiete als Direktabfluss erfolgt, der weder pflanzenverfügbar ist und der Verdunstung unterliegt, noch zur Grundwasserneubildung beiträgt

Im Nordwesten Vorpommerns ist die aktuelle Grundwasserneubildung verbreitet mehr als 50 mm/a niedriger als unter potenziell natürlichen Verhältnissen. […in anderen Regionen] 30 … 40 mm/a niedrigere Grundwasserneubildungsraten.

Im Gebietsmittel hat sich das Grundwasserdargebot um ca. 10 % gegenüber potenziell natürlichen Verhältnissen vermindert.

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Hochwässer – die selbstgemachte Katastrophe

Hochwässer – die selbstgemachte Katastrophe

In einem lesenswerten Artikel in der SZ „Die selbstgemachte Katastrophe – Meist wird die steigende Hochwassergefahr mit dem Klimawandel erklärt. Experten nennen aber auch den Umgang mit Landschaft und Boden“ erklärt u.a. Prof Karl Auerswald, welchen Beitrag die „Landnutzungsveränderungen“ an solchen Katastrophen haben.

Der andere Grund ist selbstgemacht. Es ist die tiefgreifende Umgestaltung der vormaligen Naturlandschaften in die moderne Kulturlandschaft – durch die Begradigung und Kanalisierung der Flüsse und Bäche, durch die Entwässerung der Flure durch Gräben und Drainagen, durch den Bau von immer mehr Siedlungen, Gewerbe- und Industriekomplexen und Verkehrswegen, gerade auch in Überschwemmungsgebieten, und nicht zuletzt durch die moderne Landwirtschaft.

Beispiel die Entwässerung entlang der Straßen [in Bayern]: „Zusammengenommen sind sie sechsmal so lang wie alle Flüsse und Bäche in Bayern“.

Ein anderes Beispiel sind nach Professor Auerswalds Ansicht die schweren Maschinen und Traktoren, mit denen die Bauern heutzutage ihre Acker bewirtschaften. Durch sie werden die Böden stark verdichtet. Die Folge: Sie können weniger Wasser aufnehmen und speichern. Wenn es stark auf sie herabregnet, bahnen sich die Niederschläge direkt an der Oberfläche den Weg zum nächsten Bach, von dort zu einem kleineren und dan zu einem größeren Fluss. Dieser Effekt ist keine Kleinigkeit. 46 Prozent der Landesfläche Bayerns ist Agrarland.

Auch der immense Flächenverbrauch in Bayern erhöht die Hochwassergefahr. … Aktuell liegt der Flächenverbrauch in Bayern laut Landesamt für Statistik bei 12.2 Hektar am Tag. Das entspricht gut 17 Fußballfeldern am Tag.

… dass seit ungefähr acht Jahren kein zusätzlicher Hochwasser-Rückhalteraum in den Überschwemmungsgebieten der großen Flüsse geschaffen wurde,

Zugleich fordern sie [Bayerische Architektenkammer, die Ingenieurekammer-Bau, der Bayerische Handwerkstag und der Fachverband der Wasserwirtschaft DWA] darin, „Rückhalteräume schaffen, Überflutungsflächen freihalten und den Wasserspeicher Boden wieder nutzen“ – alles Maßnahmen, die man unter dem Titel „natürlicher Hochwasserschutz“ zusammenfasst.

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Meteorologe Karsten Schwanke bei den tagesthemen: Diese vier natur-basierten Landnutzungs-Lösungen als Schutz vor extremen Klimakrisen

Meteorologe Karsten Schwanke bei den tagesthemen: Diese vier natur-basierten Landnutzungs-Lösungen als Schutz vor extremen Klimakrisen

Weil so klar formuliert, und so wichtig: Der Meteorologe Karsten Schwanke erklärt bei den tagesthemen eine jüngst veröffentlichte Klimastudie für Europa, und erklärt diese vier natur-basierten Landnutzungs-Lösungen als Schutz vor extremen Klimakrisen.

https://www.youtube.com/watch?v=98a525U4ECM
https://www.eea.europa.eu/de/highlights/europa-ist-nicht-auf-die

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Karl Auerswald „Die Rolle des Bodens für die landwirtschaftliche Erzeugung während des Klimawandels“

Karl Auerswald „Die Rolle des Bodens für die landwirtschaftliche Erzeugung während des Klimawandels“

Interessanter Vortrag von Prof. Karl Auerswald: „Ein wesentlicher Effekt des Klimawandels in unseren Breiten bis zur Mitte dieses Jahrhunderts wird sein, dass Regen- und Trockenphasen länger werden und dass tendenziell mehr Niederschlag im Winter fällt, während die Sommer trockener werden. Dem Boden als wichtigstem Puffer kommt daher eine noch größere Bedeutung als in der Vergangenheit zu. Gleichzeitig führt der Klimawandel aber auch zu immer erosiveren Regen und schädigt daher diesen Puffer. Der Vortrag beleuchtet das entstehende Spannungsfeld, das weiter dadurch verstärkt wird, dass auch der Landnutzungswandel die Pufferfunktion des Bodens stark beeinträchtigt. Anstatt die Landschaft und die Landnutzung klimaresistent zu gestalten, wurden sie durch die von Gesellschaft, Landwirtschaft und Forstwirtschaft verfolgte und akzeptierte Effizienzsteigerung besonders vulnerabel.“

https://www.youtube.com/watch?v=joVZg3Ex1dQ

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Landnutzungsmaßnahmen als Klimaanpassungsstrategien – tagesthemen

Landnutzungsmaßnahmen als Klimaanpassungsstrategien – tagesthemen

Gestern in den Tagesthemen: Vier Punkte hat der Meteorologe Karsten Schwanke als „Schutz vor extremen Klimarisiken“ nach der Vorstellung einer EU-Klima-Studie aufgelistet – alle vier Landnutzungsmaßnahmen:

• nachhaltige Landnutzung
• nachhaltiges Wassermanagement
• Erhalt biologischer Vielfalt
• Verbesserung der Bodenqualität

Yes, yes und nochmal yes!! Dafür engagieren wir uns hier schon seit Jahren, und reden uns den Mund fusselig! Und ich möchte da mal wieder betonen, dass diese nicht nur Klimaanpassungsstrategien sind (climate adaptation), sondern erfolgreich auch den Klimawandel mindern können (climate mitigation).

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Eine kurze Geschichte zur Landnutzung in Neuseeland – und deren Folgen

Eine kurze Geschichte zur Landnutzung in Neuseeland – und deren Folgen

Sehr schön skizziert, welche Folgen das großflächige Abholzen – und dann später monokulturelle Aufforsten – auf die Landschaft hat. Ohne Wald, kein Boden mehr, keine Wasseraufnahme, ergo Bodenerosion, Verschlämmung, Sturzfluten, Hochwässer. Auch Nadelwald-Monokulturen helfen da nur kurzfristig – sie bilden keinen fruchtbaren Boden, und werden im Kahlschlag geerntet. Lösung: Vielfältige Dauerwälder. Hmm, ist doch nicht so schwierig zu verstehen, oder?!

[1] https://thespinoff.co.nz/society/28-07-2023/the-side-eye-deeper-roots

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Die Auswirkungen der globalen Landnutzungsänderungen auf den terrestrischen Wasserkreislauf

Die Auswirkungen der globalen Landnutzungsänderungen auf den terrestrischen Wasserkreislauf

Vom Menschen verursachte Veränderungen des terrestrischen Wasserkreislaufs:

Geografische Modellierungen zeigen, dass Veränderungen der Bodenbedeckung die jährliche Gesamtverdunstung um etwa 3.500 km3/Jahr (5 %) verringern und dass die größten Veränderungen der Verdunstung mit Feuchtgebieten und Stauseen verbunden sind. Simulationen mit Landoberflächenmodellen unterstützen diese Veränderungen der Evapotranspiration und prognostizieren einen erhöhten Abfluss (7,6 %) als Folge der veränderten Landbedeckung. […] Die Ergebnisse zeigen, dass Veränderungen der Bodenbedeckung den jährlichen globalen Abfluss in ähnlichem oder größerem Ausmaß verändern als andere wichtige Einflussfaktoren, was die wichtige Rolle von Veränderungen der Bodenbedeckung im Erdsystem bestätigt.

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Landnutzung und Klimawandel: ein Interview mit Millan Millan

Landnutzung und Klimawandel: ein Interview mit Millan Millan

Der Meteorologe Millan Millan hat in seiner Forschungsarbeit herausgefunden, dass der Regen verschwindet, weil die Landnutzung die Evapotranspirationsraten beeinflusst. In diesem Podcast spricht er darüber, was wir tun müssen, um Regenfälle und Ökosysteme wiederherzustellen.

Posted by Stefan in Klimaveränderung, Landwirtschaft, Natur, Podcast, 1 comment